Die Top-Neuheiten und neuen Beiträge


Hier könnte direkt auf eine separate Seite verwiesen werden
Mit Tipps, wie man diese Seite mitgestalten kann

Die Favoriten / auch Favoriten Anderer: besonders beliebt

Hier werden die Artikel im Warenkorb angezeigt

"Der Fürst wünscht das nicht"

Über das offenbar schwierige Verhältnis zwischen Hochadel und Normalos
copyright Rottweil ist überall

Kulturprogramm während der Ferien. Man kann zu diesen ganzen Adels – und Königsgeschichten stehen wie man will, aber die Burg Hohenzollern sollte man schon mal besucht haben. Finde ich. Wenn wir an den Stausee fahren, sehen wir sie von Weitem. Wenn wir die Sicht von der Alb genießen, liegt sie vor uns - sie ist so nah und aus der deutschen Geschichte nicht wegzudenken. Was schade ist. Eine tolle Figur, finde ich, machen die Hohenzollern nicht.

Mein Blick mag da etwas verengt sein. Ich bin nicht monarchistisch geprägt. Macht gibt es, und vielleicht ist der Gedanke, es gäbe einen König, eine Königin, die treu und fürsorglich regieren, nicht ganz abwegig. Aber so war und ist es eben nicht. Königshäuser sind sich selbst spürbar die nächsten und kümmern sich allem voran um das eigene Wohlergehen und den Machterhalt, und das bisweilen recht skrupellos. Anders, meine ich, lässt sich die Geschichte kaum verstehen. Was das gemeine Volk dafür zu leiden hat, wird sehr großzügig  ausgelegt, und dann kann anders als in einer Demokratie keiner fürs Leiden verantwortlich gemacht werden. Das muss einfach gelitten werden. Da sind m.E. nach die Hohenzollern keine Ausnahme. Im Gegenteil.

Als Kind derselben Zeit ist Georg Friedrich Prinz von Preußen mir der präsenteste. Und er macht es mir leicht, an ihm meine ganze Ablehnung, meinen Abscheu festzumachen. Mich gruselt, wenn ich mitverfolge, wie er sich gebärdet.

22 Euro war mir der Burgbesuch wert, so hoch ist der Preis für eine Einzelkarte ´Erwachsener ohne Ermäßigung“. Kinder im Grundschulalter sind frei. Da habe ich das erste Mal geschluckt. So eine Burg zu erhalten ist kein billiges Unterfangen, das ist mir schon klar. Trotzdem finde ich, ist das ein satter Preis. Derzeit wird groß saniert; die Burgmauer ist eingerüstet und bei diesen Maßnahmen engagieren sich, so klärt ein Schild am Parkplatz auf, Bund, Land und diverse Ministerien und Stiftungen – das muss also keineswegs ´alleine´ und aus eigenen Mitteln bestritten werden. Die Burg ist Kulturerbe von öffentlichem Interesse, und also sehe ich die Beteiligung ein. Trotzdem beschleicht mich das Gefühl, das öffentliche Interesse zählt nur soweit es ums Zahlen geht. Im Übrigen ist und bleibt die Burg Privatbesitz, und das vergisst man bei einem solchen Burgbesuch auch nicht.

Sie sieht schon toll aus, die Burg, auf ihrem Berg, groß und prächtig, uneinnehmbar. Mächtig eben. „So viele Tore!“, staunt der Große. Stimmt, man passiert gefühlt ein halbes Dutzend riesige, dicke Tore, bis man mal im Burghof steht. „Da hat offenbar jemand ziemlich Schiß gehabt, dass man ihm auf die Pelle rückt“, sage ich etwas rotzig, „sie werden ihre Gründe gehabt haben“ - die, die Angst hatten, wie die, die anrückten. Im 15. Jahrhundert ist die Burg tatsächlich mal von den umliegenden „freien Städten“ zerstört worden.

Sogenannte ´Zollernbuben´ haben bei einem späteren Wiederaufbau Steine mit der Schubkarre den Berg hochgeschafft. Ob freiwillig oder nicht, erfahre ich im Internet nicht. Aber immer denke ich, wenn ich solche tollen Bauten sehe, dass sie freilich großartige Leistungen sind, architektonisch, handwerklich, ästhetisch - Manifestationen menschlicher Schaffenskunst. Aber wenn man diesen die Opfer ihrer Zeit gegenüberstellt, wie viele Leute beim Bau ihr Leben gelassen haben, wie viele über die Maßen geschuftet haben, wie viel bezahlt werden musste, wie viel dem Wohl der damals Lebenden weggenommen und vorenthalten wurde , dann steht das in keinem guten Verhältnis, und ich würde liebend gerne auf all die Burgen, Kirchen, Paläste und Denkmäler verzichten. Die, die es schaffen, haben nur den Preis, nie den Gewinn. Das kann es nicht sein.

Zunächst fährt uns ein Kellner recht unfreundlich an, dass es weder Brezeln noch sonstwelche Snacks gebe, „nur Kaffee und Kuchen! - steht da!“ Okay. Vielleicht passt es ganz gut, so eine Burg mit knurrendem Magen zu besichtigen. Unser kleiner Rundgang beginnt mit dem wirklich bezaubernden Brautkleid der Prinzessin Sophie, Gattin des derzeitigen Hausherrn Georg Friedrich, Ururenkel des letzten Kaisers. Sie feiern heuer zehnjährigem Hochzeitstag. Anschließend sehen wir ein paar ehemalige Wohnräume. Wenn ich es recht verstehe, waren sie aber kaum je wirklich bewohnt. Anfang des 19. Jahrhunderts war die Burg wohl mehr oder weniger eine Ruine gewesen und dann wieder aufgebaut worden, wobei zum damaligen Zeitpunkt die einen Hohenzollern bereits in Sigmaringen, die anderen in Berlin und Potsdam wohnten. Im Grunde war die Burg, wenn, dann nur kurzzeitiges Domizil, und meist blieb sie bloße Ausstellung, Mahnmal des eigenen Anspruchs. Wir sehen unzählige Stammbäume in unzähligen Aufmachungen und Bildnisse verblichener Herrscher*innen. Wobei die Frauen nicht erb – und herrschberechtigt sind. Es erbt jeweils der älteste Sohn, und der auch nur, wenn er standesgemäß heiratet - das regelt ein internes Hausgesetz. Dieser Umstand brachte die Linie des derzeitigen Georg F. überhaupt erst ans Zepter, weil er das Glück hatte, dass ein Vorfahre weniger auf Stände gegeben hatte. Es gab wohl ein paar Erbklagen daraus, und ein Cousin bekam Recht – und vermutlich mehr vom Erbe.

Es gab da ein paar hübsche Fensternischen auf der Burg. Die Kinder standen darin und schauten hinaus. In der Tat bietet sich da ein grandioser Blick. Ich habe ein paar schöne Fotos meiner Mutter in mindestens ebenso schönen Nischen im Vatikan. Da hat es keine Seele gestört, dass ich Fotos machte. Hier hatte ich das Handy kaum berührt, da stand auch schon eine junge Dame bei mir, die bremste „Fotografieren verboten“. Oh. Ich steckte das Handy wieder weg. „Wieso?“ fragte mein Sohn mich, und ich hielt die Frage für berechtigt und gab sie weiter. „Der Fürst wünscht das nicht.“ Aha. „Irgendeine Begründung?“ fragte ich. Sie verneinte. Das muss genügen. Er wünscht es nicht. „Okay“, sagte ich freundlich, doch in mir streckten sich Mittelfinger und öffnete sich die Fäkalsprachkiste, und ihr gesamter Inhalt ergoss sich ungebremst aufs edle Parkett. Das Wieso erschließt sich mir bis dato nicht. Die ganze Zeit schon hatte mich das Gefühl gestört, wie wir hier als teuer bezahlendes Fußvolk mal eben herrschaftliche Luft schnuppern und Glanz und Gloria bewundern dürfen; „nur gucken, nicht anfassen!“. Wie es sich darauf beschränkt – ´das Volk´ ist die Masse, die dazu da ist, dem Adel seine Pfründe zu sichern. Überrascht mich nicht, aber edel geht anders.

Über die „Bibliothek“ konnte ich mich amüsieren. Die bestand in einem recht schmalen Durchgang, mehr Flur als Raum, an einer Seite besagte, nicht zu fotografierende Fensternischen, an der anderen ein paar leicht zu übersehende, hüfthohe Kommoden. blickdicht verschlossen - Bücher - kein einziges. Der Bücherschrank meiner Kinder macht mehr her.

Von den Fake-Wohnräumen kommen wir zur Schatzkammer und sehen allerhand klerikales und fürstliches Silber, Gewänder und Schwerter, Totenmasken und die unvermeidlichen Porträts, juwelenbesetzten Schmuck und Haarnadeln aus Elfenbein, und es schreit mich an und wird mir so überdeutlich, dass dies alles mitnichten rechtschaffen erwirtschafteter Privatbesitz ist, sondern auf die eine oder andere Weise geraubtes Zeug. Die Legitimation dafür hat man sich selbst verliehen, den Anspruch erhoben, einfach, weil man es konnte. Sie sind ja allesamt nicht als was ´Besseres´ zur Welt gekommen. Ausgeprägte Hierarchien gibt es schon lange - Einer erweist einem Höherstehenden einen Dienst und erhält dafür die erste Pfründe. Die weidlich ausgenutzt und ausgebeutet, und vermehrt durch geschickte Heiratspolitik, durch Vererbung, durch Kriege und Raubzüge - so füllen sie sich, die Schatzkammern und mehren sich die Titel. Diese Geschichten vom finsteren Mittelalter, als Kirche und Adel die Leibeigenen auspressten – sie sind ja keine Märchen. 

Die Bösewichte müssen sie heute nicht mehr geben. Heute geht das viel einfacher. Die Hohenzollern wie überhaupt der Hochadel, so entnehme ich dem Internet, gehören alle nach wie vor zu den Wohlhabenden und dem Kreis derer, deren Vermögen sich quasi im Schlaf vermehrt. Ein Finanz-und Kapitalsystem deichselt das in ihrem Sinne. Wer genug hat, bei dem vermehrt es sich von alleine. Selbstredend hält man das für ein prima und erhaltenswertes, ein sehr ´rechtes´ System, demgegenüber Erbschafts – und Vermögenssteuern und dergleichen brandgefährlich und vermutlich links-grundböse sind. Der Adel sitzt rechts, und das seit der französischen Revolution.

In einem der letzten Schaukästen in der „Schatzkammer“ sehen wir schließlich ein Diadem der letzten oder vorletzten Königin aus dem Hause Hohenzollern, und es erinnert mich sehr an den Hochzeitskopfschmuck der Prinzessin, deren Brautkleid wir im oberen Stockwerk bewundern durften. Und ich denke - sie wäre es eben gern, Königin, so wie ihr Georg F. gerne König wäre. Kaiser*in wäre noch besser. Ich glaube, sie haben ihren Anspruch nie abgelegt. Sie haben nie verstanden, dass er ein Fehler ist. Sie denken, die Macht ist ihre, war es und wird sein, ewig wie die Kirche, und wie diese argumentiert man, wenn sonst nichts mehr hilft, mit göttlichem Segen.

Die Kaiserin Zita in Österreich, Habsburgerin, konnte am Ende des Ersten Weltkrieges nicht abdanken. Sie konnte nicht verstehen, wie das gehen soll, „Abdanken“, und weshalb – waren sie doch von Gott bestellt und in diese Stellung gesetzt, auf ewig. Das finde ich krass. Hat der Armen niemand die eigene Geschichte vor Augen geführt? Die bildet sich tatsächlich ein, es gäbe da einen Gott, der sie selbst mitsamt der eigenen Sippe über die anderen erhebt und zum Herrschen bestimmt, egal, wie schlecht sie darin sind? „Schlecht“ kann es in dieser Logik freilich gar nie sein, weil es kommt ja von Gott.. Und das wiederum verstehe ICH nicht – diesem Gott geht somit jedes Leiden und jedes massenhafte Sterben komplett am heiligen Hintern vorbei? Oder wie? Da hat wohl jemand nicht mehr allzuviel mitbekommen vom normalen Leben.

Wenn Macht zu lang in denselben Händen ist, entfremdet sie sich von denen, über die sie herrscht.

Diese Geschichte mit dem göttlichen Auftrag ist hinterhältig. Glaube kann Rahmen, Trost und Hoffnung spenden. Wem es hilft - so weit so gut. Sobald er aber dazu dient, Machtverhältnisse zu sichern, wird offenbar, geht es nicht um Glaube, sondern um sehr irdische Vorteile, nichts anderes. Macht ist ein Produkt des Kopfes, der sie beansprucht - menschengemacht. Weshalb also sollen sich Machtverhältnisse nicht auch ändern können? Weder Adel noch Kirche agierte stets glaubwürdig und zuverlässig zum Wohl der Menschheit. Immer ging und geht es vorrangig um den Fortbestand der eigenen Stellung. Und so sehr ich den Gedanken im Grunde akzeptieren kann, dass es „Macht“ nun einmal gibt und irgendwer sie eben hat, so sehr sehe ich, dass man die damit einhergehenden Rechte durchaus verwirken kann. Irgendwann ist das Kerbholz voll. Für mein Empfinden besteht spätestens nach dem ersten Weltkrieg, als man ungerührt mehr als eine ganze Generation Männer in den Tod schickte, darüber kein Zweifel. Solche Herrscher braucht es nicht und darf es auch nicht geben. Nach vielen Jahrhunderten voll Kriegen vom einen Königshaus gegen ein anderes und weil die Königswürde irgendwann nicht ausreichte und man den Kaiser erfand und sich also trefflich auch um Kaiserwürden kämpfen ließ, war klar, die Monarchie muss weg. Das muss anders gehen.

Kriege gibt es immer noch. Aber wir haben eine Wahl.

(Es sei das Verhältnis zur Nato, das eine Koaltion mit den Linken so unmöglich mache. Und vielleicht ist die linke Position in der Aussenpolitik in der Tat bisweilen sperrig. Aber bitte – in Frage stellen ist erlaubt. Auch die Nato hat ein Kerbholz, und auch in diesem sind etliche Schnitzer. Frieden geht anders).

Sollen sie froh sein, die Hohenzollern. Finde ich. Revolutionen sind oft grausam, (und oft bringen sie noch nicht mal wirklich was, sondern tauschen nur ein paar Figuren aus). Mit den Hohenzollern verfuhr man 1918 glimpflich. 39 Schlösser durften sie behalten, dazu Ländereien, Beteiligungen, Kunstschätze. Es gibt Herrscherhäuser, die das Ende der eigenen Herrschaft gar nicht überlebt haben. Oder die noch mehr und ärger Federn lassen mussten. Es geht ihnen nicht schlecht, den Hohenzollern. Sie haben ein komfortables Auskommen. Man könnte es auch einfach gut sein lassen.

Genau das kann Georg F. offenbar nicht, und seine Verwandten vielleicht auch nicht. Die Liste der Rechtsstreitereien , die Georg F. gegen Historiker und Journalisten anstrengt, ist lang. „Lüge“ nennt er, was ihm nicht ins Bild passt, und verlangt also nichts anderes als Deutungshoheit über die hauseigene Geschichte. Anders kann ich das nicht verstehen. Freilich ist die Interpretation der Geschichte und also die Darstellung nicht ganz unwichtig. Georg F. verlangt Rückgabe von nach dem Ende der Monarchie enteigneten Besitztümern und Entschädigung für nach 1945 enteignete Immobilien und Ländereien im Osten. Dieser Anspruch ist allerdings verwirkt für Steigbügelhalter der Nazis wie der Kommunisten. Das Haus Hohenzollern steht linkem Gedankengut sicher nicht nahe, mit den Nazis aber hatte man angebandelt. Der ehemalige Kronprinz rief immerhin zur Wahl von Hitler auf! Die Verfahren über Entschädigung liegen seit Jahren auf Eis, weil Georg F. immer wieder mehr Zeit braucht, bis - so siehts aus - ihm gefällige Gutachten zu dem Schluss kommen, dass das nicht zählt.

Ich finde das ungeheuer anmaßend und ignorant, und für mein Empfinden hat dieses Haus jeden Anspruch verwirkt - auf alles frühere, auf das heutige, auf das zukünftige. Da hat doch einer den Schuß nicht gehört.

Und die Burgen, die sind Kulturerbe der öffentlichen Hand, jawohl, und die Eintrittspreise müssen auf eine Höhe reduziert werden, die dem Umstand gerecht wird, dass all dies eigentlich immer schon der Allgemeinheit gehörte, weil sie es auch bezahlt und geschaffen hat, und es darum geht, Geschichte erlebbar zu machen. Da genügt ein Obulus, nicht höher als eine Kinokarte, besser darunter. 2 Euro wären genug. Und von wegen „nur gucken, nicht anfassen“. Ich stelle mir Probesitzen auf dem Thron vor, ein Mal Hermelinmantel tragen und einmal eine Krone,.... Und das, versteht sich, mit sattem Bauch und fotografisch festgehalten. Ein Museumsbesuch mit Erlebnischarakter - ein Mal König*in für alle.

Dieses könnte Sie auch interessieren



Es ist uns wichtig, Ihre Daten zu schützen

Wir verwenden Cookies, um Ihnen ein optimales Webseiten-Erlebnis zu bieten. Das sind einerseits für den Betrieb der Seite notwendige Cookies, andererseits solche, die für Statistikzwecke, für die Anzeige von Videos und Kartenmaterial gesetzt werden. Sie können selbst entscheiden, welche davon Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass auf Basis Ihrer Einstellungen eventuell nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.