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Novemberstimmung

Der Monat ist zu kurz für so viel Trauer
copyright Rottweil ist überall

- das Alternativgefühl, wenn ich mich nicht aufregen will.

Die Gründe gehen nicht aus. Zwischen Polen und Weißrussland kauern Familien frierend im Wald. Im Land füllen sich die Intensivstationen; Corona nimmt kein Ende. Afghanistan ist darüber vergessen, mir tun die Frauen dort leid. Vergessen ist auch der Jemen, das Leiden dort geht ungehindert weiter.In Afrika wird gemordet, in Südamerika der Regenwald abgeholzt. Klimaschutz wird vertagt bis man meint es sich leisten zu können. So wird er immer teurer, und der Tag wird also nie kommen. Aber bis dahin sind wir Alten alle tot, also was soll der Geiz.

Man schreit oder man heult oder man ist schon tot.

Und in Polen ist diesen Herbst eine junge Frau gestorben, weil ihr medizinische Hilfe versagt worden war. Man kann sagen aus Glaubensgründen. Auch das ist bereits vergessen. Die junge Izabela, Mutter einer kleinen Tochter, starb an einem septischen Schock, nachdem die Ärzt*innen nicht gewagt hatten, die Schwangerschaft zu beenden, die da bereits beendet war – das Fruchtwasser war abgegangen, das Kind hatte nicht die geringste Chance. Trotzdem warteten die Ärzt*innen bis sie keine Herztöne mehr hörten - da war es für die Mutter zu spät.

Die polnische Regierung hatte voriges Jahr die Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs so massiv eingeschränkt, dass dort jetzt jede Schwangerschaft ausgetragen werden muss. Ausnahmen gibt es nur, wenn erwiesen ist, dass die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung entstand oder das Leben der Mutter bedroht ist. Deren zwangsläufig bevorstehender Tod sollte allerdings klarstehen ohne jeglichen Zweifel. IM Zweifel nämlich entscheiden die Ärzt*innen weder für das Kind noch die Mutter, sondern für das Gesetz und die eigene Straffreiheit.

„Manche Frauen sterben an der Geburt ihres Kindes“, sagte süffisant ein Abgeordneter der PiS, die das Gesetz durchgesetzt hatte. Es gehört schon Bösartigkeit zu dieser Haltung. Das ist Taliban. Wegen solcher Barbarei hat man vorgegeben Afghanistan überfallen zu müssen. Medizinische Hilfe vorenthalten aus scheinbar religiösen Gründen. Manche Menschen sterben auch an Krebs, an Tuberkulose, an Bluthochdruck. Menschen sterben. Natürlich tun sie das. Aber im Dasein wollen sie glücklich sein und Freude am Leben haben, deshalb versuchen sie Leiden zu vermeiden und zu verringern. Deshalb gibt es Ärzt*innen. Jeder der polnischen Abgeordneten und jeder Taliban würde ganz selbstverständlich medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, wenn er schwer erkrankt ist.

Hier geht es um Frauenhass. Die PiS und Ordo Iuris - eine rechtsextreme, vorgeblich fundamental-christlich, aber hauptsächlich reaktionäre, patriarchale Organisation - wollen wie weltweit viele andere von ihrem Schlag eine „natürliche Ordnung“ aufrechterhalten oder wiedererlangen, in der Männer bestimmte Kriterien zu erfüllen haben und Frauen zum Gebären da sind, eine Ordnung, in der sie selbst ewig und unangefochten das Sagen haben, und das ganz unabhängig von Glück und Zufriedenheit auf der Welt. Es geht nicht um Glück, es geht um Macht.

Es gibt eine solche natürliche Ordnung nicht. Sie können behaupten, was und so oft sie wollen – es bleibt nie mehr als eine leicht zu durchschauende Behauptung. Worauf will mann sich denn berufen als auf Worte eigener Interessensvertreter?

Das scheint mir eben das Problem zu sein – dass wir Menschen keine natürliche Ordnung finden. Uns gibt es – relativ zur Größe - in Mengen und Massen wie Bienen, (VOR dem Bienensterben). Aber gebärden tun wir uns wie die Bären – jedem sein eigenes großzügiges Revier. Und um diese Reviere kämpfen wir in Rudeln wie die Wölfe. Jede Spezies scheint eine nachhaltig funktionierende Ordnung gefunden zu haben. Ausser uns. Das ist dramatisch. Wir sind Herdentiere, aber benehmen uns wie Einzelgänger. Das richtige Verhältnis zwischen „ich“ und „wir“ haben einzelne, aber wir nicht als Gemeinschaft gefunden. Wir haben gar keine Ordnung in unserem aufs Individuum fixierten, sich in Rotten und Rudeln zusammen raufenden und als Massengesellschaftswesen sich ausbreitenden Nichtsystem. Und dann kommen da ein paar testosteronverseuchte Vollpfosten, sehen sich als „starkes Geschlecht“, faseln was von „natürlicher Ordnung“, und sind eher bereit, alles zu verheizen als dieses Vorrang verleihende Attribut preiszugeben. Ja klar.

Menschen, die meisten jedenfalls, sind komplex denkende Herdentiere, und je globalisierter die Welt, und je komplexer die Zusammenhänge, desto größer muss ich die Herde definieren und desto komplexer – mit allem, was mit ihr zusammenhängt. Ich muss also global denken. Viele der Männer, die hier Macht und eine „natürliche Ordnung“ mit ihnen zustehenden Privilegien beanspruchen, definieren die Herde stattdessen möglichst klein, ich unterstelle, damit sie den Rest nicht mitzudenken brauchen. Das ist billig und blöd und Machtmissbrauch.

Freilich gibt es Frauen, die sich frohgemut in die erste Reihe stellen und mit wehenden Fahnen in diesen Krieg ums rechte Mannsbild ziehen. Die Frontfigur ums verschärfte Abtreibungsgesetz in Polen ist eine Frau. Frauen beschneiden andere Frauen/Mädchen. Frauen banden schon Füße und Frauen zwingen die Töchter ins Haus. Auch Frauen geben mitunter ungefiltert weiter, was ihnen eingetrichtert worden ist. Allerdings sind sie abhängig; sie tun, was es braucht, um einen Platz zum Leben zu haben.

Zur Natur des Menschen gehört auch Lernen. Wir wollen wissen, wir wollen können, wir wollen besser machen. Und es gibt ziemlich viel, was zu verbessern wäre. Und anders als früher kann heute Wissen weltweit ausgetauscht und zusammengeführt werden.

Die Idee der Gleichheit und Gerechtigkeit unter den Geschlechtern ist nicht neu. Und es ist nicht so, dass nichts erreicht wäre - so dürfen Frauen heute wählen. Das ist schon was. Und sie dürfen zur Schule gehen und arbeiten und sogar selbst ihr Geld verwalten. Aber damit ist noch lange keine Gerechtigkeit erreicht. Die Forderung nach mehr Chancengleichheit löst stets dieselbe Gegenwehr aus. Da fühlen Männer sich schnell als Opfer und ungerecht behandelt, wo es nur darum geht, auf ein paar Privilegien zu verzichten, die man lange ganz selbstverständlich in Anspruch genommen hat.

Dabei wird auch Männern durchaus geholfen. Sie sehen es nur nicht und geben es nicht zurück. Ich kenne eine Frau. Sie arbeitet an der Uni, an einer naturwissenschaftlichen Fakultät, und betreut dort Doktorand*innen. Sie erzählte, wenn man vom Bachelor- zum Masterstudium will, genügen nicht nur gute Noten im Bachelorabschluss, sondern es braucht zusätzlich ein Motivationsschreiben, wie eine Bewerbung. Danach wird ausgewählt. Die der männlichen Bewerber seien fast durchweg so unterirdisch schlecht und schluderig, dass es regulär kaum einer schaffen würde. Das Auswahlgremium bemüht sich nach Kräften in jeder dieser Zumutungen noch einen Funken Motivation zu finden und zieht die Jungs durch. Diese Hudel-und-flink-Buben werden irgendwann auch erwachsen; wenn sie dann erst mal Doktoranden sind, wissen auch sie, was Sache ist und was sie wofür tun. Und je weiter sie im Berufsleben aufsteigen, desto besser wissen sie – und machen ihren Weg. Obwohl anfangs in manchen Studiengängen mehr Studentinnen sind als Studenten, besetzen diese später 80 % der Lehrstühle. Die Frauen sind nicht schlechter, haben aber zu diesem Zeitpunkt mehr Elternpausen und Teilzeitbeschäftigungen im Lebenslauf. Diesen Rückstand aufzuholen wird ihnen nahezu unmöglich gemacht.

Auf die Barbaren in Polen und Afghanistan, die ihren Frauenhass ganz unverblümt austoben – es ist schon krass, dass man in dieser Hinsicht diese beiden Länder in einem Atemzug nennen kann – blickt der gebildete, zivilisierte, westeuropäische Mann vielleicht noch milde lächelnd herab. Das hat er besser drauf. Aber wenn´s an Quoten geht, an gezielte Förderungen oder an Gendersprache, dann ist schluß mit lustig. Da geht die Idee mit der Chancengleichheit zu weit und mann ist sich einig mit den offen Frauen verachtenden, von der eigenen Männlichkeit ganz besoffenen Geschlechtsgenossen anderswo. Dabei würden Quoten zb dafür sorgen, dass eine Frau nicht unbedingt übertreffen und toppen muss, sondern es genügte einfach „nur“ gleich gut zu sein. Und sie müsste dann auch nicht päpstlicher sein als der Papst, bzw männlicher als der Mann, ihr Mitbewerber, sondern sie könnte ihre eigenen Qualitäten entwickeln. Sonst sind die Wege ewig dieselben, um in männlich geprägten Hierarchien nach oben zu gelangen, und also kann sich gar nichts ändern. Es muss doch nicht das ganze gesellschaftliche Leben ein ewiges Kämpfen gegeneinander sein. Eben das runterzufahren wäre ein lohnenswertes Ziel. Man stelle sich vor, wie viel Druck von allen genommen würde. Mit einer Quote könnte es passieren, dass ein Mann einen Job nicht bekommt, weil eine Frau ihn bekommt. Ja. Das könnte es geben. Dafür darf er auch in Elternzeit. Und er braucht nicht mal zu gebären dafür. Das hat die Natur ganz vortrefflich anders geregelt. Aber keine Natur verbietet ihm Vater zu sein. Feminismus ist eine Befreiung aus Rollenzwängen für alle. Wer will ,der darf sich an Klischees halten, aber niemand MUSS.

Und dann diese Hysterie und Aggression, die hochkommt, wenn es ans Gendern geht. Als ob ein paar Sternchen weh täten. Da sind sie alle vereint, die Angst haben zu verlieren. Wieso kann man denn nicht locker bleiben? Die einen tun´s, die andern nicht. Eine Behörde handhabt es so, die andere anders, eine Firma so, die andere anders – es soll jedem und jeder freistehen. Das Sternchen ist ein Zeichen, ein Bewusstmachen. Sie machen eine Kriegserklärung draus und blasen zum Sturm gegen alle, die da entwicklungsfreudiger sind.

Es gibt Zusammenhänge, bei denen ich an sprachliche Grenzen stoße, wenn es um frauenbezogene Themen geht. Selbstverständlich mag es ohnehin bessere Schreibende geben – ich bin auch nur die Gesamtheit meiner Möglichkeiten – aber ich hadere bisweilen doch mit der Überbetonung des Männlichen in unserer Sprache und empfinde sie als hinderlich.

In den 80er Jahren gab es einen Bestseller „die Töchter Egalias“. Da frauschten die Frauen und Männer galten als das schwache Geschlecht, das hübsch war, wenn es zart daherkam und keine Körperbehaarung hatte. Wer sich schon an einem Gendersternchen stößt, dem sei die Geschichte empfohlen. Man nahm sie damals mit gutem Willen und Humor.

Ich habe ein Buch bestellt „Die letzten Männer des Westens“, über Männerbünde und ihren Krieg gegen Frauen. Das ist ein unerquickliches Thema und das Buch zu lesen wird kein Vergnügen. Aber ich sage mir „kenne deine Feinde“. Ich weiß, sie führen auch Krieg gegeneinander und in diesen sterben ungleich mehr. Das macht es nicht besser. Das wirft nur die Frage auf, wie mann darauf kommt sich einzubilden die Krönung der Schöpfung zu sein, wo einem stets die allerblödesten Lösungen die nächsten sind.

Und es wird immer weiter geschürt und gehetzt und gehasst. Und erschreckend dabei finde ich, welche Allianzen sich ergeben und wie die Mittel sich angleichen. Plötzlich sind alle Opfer und fahren schon hoch, wenn jemand sie anstupst und Zustimmung verweigert, und dann wird grobes Unrecht und Diktatur beklagt. Und so stereotyp und alles andere ausschließend die Bilder auch sein mögen, die diese angeblichen Opfer hochhalten - die Faschos sind immer die anderen.

Ich frage mich, wo der ganze Hass herkommt. Ich ahne – jeder hat Grund gekränkt und verletzt zu sein, jeder hat Grund für Wut. Aber das ist ja eben – diese Gründe hat jeder und jede, Männlein wie Weiblein. Das ist traurig und beschämend für uns alle. Offenbar bekommen wir es nicht gescheit hin miteinander umzugehen. Aber wir können doch unser Trachten nicht auf unsere Gekränktheit und unsere Wut richten. Was für ein Unfug. Und was für ein Unfug als Mann auf einem Rollenbild zu beharren, an dem man selbst so häufig scheitert, sich durch dies Scheitern dann gekränkt zu fühlen und das schließlich anderen anzukreiden. Gehts noch? Wer sich erlaubt, auch mal schwach zu sein, kann die eigenen Wunden heilen. Wir sollten mehr lieben in der Welt und Freiheit anders definieren. Freiheit als die Chance sehen, sich von pausenloser Funktion zu befreien, von Stereotypen und Rollenzwängen und von vorgefertigten Lebensentwürfen - und von missbrauchter Macht.

Es ist November, der Monat, den man mit den toten Heiligen beginnt, dann den Angehörigen gedenkt und schließlich dem Millionenheer der in den Kriegen gefallenen. Die werden geehrt, und so soll es weitergehen, so soll die „natürliche Ordnung“ aussehen, und die, die das propagieren, die halten sich wohlig geschützt im Hintergrund. Leiden und sterben tun andere an vorderster Front. Wie feig, wie niederträchtig diese ´Ordnung´.

Feminismus ist weniger eine Ideologie, die sich gegen Männer richtet, sondern vielmehr eine Bewegung, die sich für Menschenrechte einsetzt.

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