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Minimalinvasiv

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Es ist ein Segen, wenn das eigene Leben so ist, wie man es sich wünscht und wie es guttut. Die Welt drumrum ist bei Weitem nicht so, wie ich sie mir wünsche - meine eigenen Strukturen schon. Das darf gerne so bleiben. Es ist auch ein Segen, wenn nichts mit Gewalt oder übermäßigen Ansprüchen einbricht.

Ich habe gefühlt immer zu wenig Zeit. Dabei ist das blöd. Ein Tag hat 24 Stunden, nie mehr, nie weniger. Und was man schafft, schafft man, was nicht, das nicht. Es war eine volle und erlebnisreiche Woche, mit nicht nur Job und Familie, sondern mit für meine Verhältnisse viel Öffentlichkeit, fand ich. Der krönende Abschluß war der Samstagsabend, das letzte Konzert des Jazzfestes. War ziemlich elektronisch alles, aber mega. Ich finde Akkordeon toll. So saß ich mit einem leichten Schwips und einem verliebten Gefühl im Bauch auf der Tribüne, ließ mich von Musik und Lichtern entführen und fand alles ganz klasse. Ich hatte meine Freundin zum VIP-Empfang begleitet, und das ist schon ein großer Spaß, sowieso mit Sekt und Häppchen und grünem Bändel, mit dem man frei konsumieren darf, inklusive Gin-Tonic. Gerade noch die Kurve gekriegt und dem fetten Kater ausgewichen. So war der Sonntag gerettet, der dem Aufräumen gewidmet sein sollte, haushälterisch wie mental.

So geschehen. Minimalinvasiv, was das Haushalten anging. Es zog mich hinaus; ich war lange nicht spazieren.

Minimalinvasiv ist auch der Siegerentwurf des Wettbewerbs zur Landesgartenschau, weshalb er mir gefällt. Zwar fände ich schön, das Kraftwerk bliebe erhalten, aber das ist ein anderes Thema. Minimalinvasiv ist „use, what you´ve got“, Thema auch in der Visionswerkstatt am Donnerstag, in der ich war. Benutzen, was man hat, ist nachhaltig. Die Rede war von einer autofreien, wenigstens aber komplett verkehrsberuhigten Innenstadt und einem geschlossenen Grüngürtel drum herum. Was ich prima fände. Was dann schon eine große Veränderung wäre, durchaus nicht minimal, zugegeben. Aber toll! Das heraufbeschworene Bild gefiel mir – den vielen Leerstand mit Wohnen gefüllt, junge Familien in der Stadt, Leben in Strassen und Gassen und Bäume mit Wurzeln im Boden. Ich war ganz beschwingt davon. Die Zahlen haben mich verblüfft. Fast 16.000 Autos täglich fahren die Königsstrasse entlang, 9000 am Friedrichsplatz und fast 7000 sind es vor unserer Haustüre. Das ist eine Menge. Natürlich ging es wieder um Parkplätze. Ich versteh´s ja, der Schwabe kann nicht ohne sein heilgs Blechle, ich versteh nur diese Priorisierung nicht.

Minimales Intervenieren wünsche ich mir in diesem Krieg, was das deutsche Engagement angeht und was jedes Engagement angeht. Ich habe nachgelesen, über die Nato, über das Minsker Abkommen, über Russland und die Ukraine, die EU, Amerika und Cuba, über Bündnisse und Separatisten, uswusf., und ich habe mich mit allen möglichen Leuten darüber unterhalten. Und ich finde immer noch, dieser Krieg hätte vermieden werden können. Die hier propagierte Sichtweise der Geschichte dieses Kriegs dünkt mich da mitunter sehr selbstgerecht. Und ich bin noch immer überzeugt, dass es Verhandlungen braucht und die möglichst sofort. Putin wolle gar nicht verhandeln, heißt es dann immer. Mag sein, aber das ist auch nur die halbe Wahrheit. Die anderen wollen auch nicht; keiner will. Mit diesem Verbrecher könne man nicht verhandeln, heißt es, dem dürfe man nicht den kleinen Finger geben. Und schon ist ausgehandelt. Vielleicht wird auch nur nicht verhandelt, weil es Uneinigkeit über die Kriegsziele gibt. Ich seh´s auch da minimalinvasiv. In meinen Augen wäre dann gewonnen, wenn die Ukraine in ihrer Existenz nicht mehr bedroht wird und die Leute selbst bestimmen, wie sie leben wollen. Und wenn Teile gerne russisch sein wollen, dann soll auch das sein.

Ich war im Deeskalationstraining. War super. Kultivierte Deeskalation funktioniert in 4 Stufen: Kontaktaufnahme – Beziehung durch Verständnis - Konkretisieren der Problematik – Lösungswege suchen. Oft gehen die im Stil von „wenn Sie dies tun, bekommen Sie das“, „wenn Sie dies unterlassen, jenes“,... Zug um Zug. Geht es in einem Schritt mal nicht recht weiter zum nächsten, dann geht´s zurück auf Anfang. Irgendwann klappt´s. Jeder Eskalation liegt überdies eine Primäremotion zugrunde, die nicht gleichbedeutend ist mit dem Inhalt der aktuellen Handlung, sondern eher deren Auslöser. Diese zu befrieden, ist das Ziel. Dann wäre grundlegend deeskaliert.

Es wird immer so getan, als wäre man der Zivilbevölkerung diesen Krieg schuldig, mit Soldaten und Waffen und der ganzen Wucht der Kriegsmaschinerie. Den Frieden zu versuchen, wäre man schuldig, will ich meinen.

Aber jetzt läuft der Krieg. Jetzt geht es auch nicht mehr ohne Waffen, und defensiv sind die in einem solchen Angriffskrieg so ziemlich alle. Okay. Sehe ich ein. Manche Situationen lassen sich nicht ohne Gewalt lösen. Das verstehe ich gut: wenn einer einem anderen die Freiheit vorenthält, wenn einer willkürlich bestimmt und Macht missbraucht, dann darf man sich wehren. Niemand ist auf der Welt, um schlecht behandelt zu werden. Der Kampf der Ukraine ist somit ein sehr legitimer. Das russische System würde mir auch nicht passen. Ich habe ein Interview mit einem in Moskau lehrenden russischen Politikphilosophen gelesen, der die russische Gesellschaft als nicht sehr glücklich beschrieb. Es gibt keine wirklich starke Zivilgesellschaft; zwischen Familie und Staatsmacht gibt es nichts, das einen schützt und stützt, auch keinen verlässlichen Rechtsstaat. Jungen Männern auf dem Land bleibe im Grunde nur das Saufen. Und jeglicher Widerstand, jede Opposition wird gewaltsam unterdrückt. Der Unfrieden stecke in nahezu allen und allem. Den Wunsch, sich dem zu entziehen, etwas anderes zu bauen, kann ich gut nachvollziehen. Nichtsdestotrotz scheint es viele Russen und Russinnen zu geben, die sich gut damit fühlen und es mittragen. Für sich selbst können sie das, mir fehlt jeglicher Ehrgeiz, sie darin zu schwächen; sie dürfen´s nur nicht anderen aufs Auge drücken. Ich muss ein solches System nicht verstehen, und ich muss es schon gar nicht zu meiner Sache machen. Mache ich auch nicht. Ich finde das ganze Treiben und den Krieg, wo er den Rahmen der Selbstverteidigung sprengt, blöd und will´s nicht.

Im Krieg darf man viel, aber offenbar nicht gegen den Krieg sein. Da schreien dann manche sofort was von „Wohlstandsverwahrlosung“. Schmarrn. Wenn man im Kriegstreiben nicht die eigene Beteiligung an dessen Entstehen zu sehen bereit ist, weil Krieg anscheinend zwangsläufig von maximaler Schwarz-Weiß-Malerei und Aggression lebt und jeder Zweifel daran quasi die Moral der Truppe untergräbt, dann finde ich das moralisch auch ziemlich fragwürdig. Ausserdem habe ich nach diesem ganzen Wohlstand nicht verlangt. Ich bin in so ziemlich jeder Krise eine von denen, die zu Einschränkungen bereit ist, auch zu schmerzhaften. Wo´s für viele reichen soll, müssen viele mit viel weniger zufrieden sein können. Kann ich. Daher wäre ich für mehr und effektivere Sanktionen. Aber erstmal und eigentlich will ich nur diesen frühen Sommer genießen, minimalinvasiv, versteht sich.

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