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Die Geschichten der Anderen

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6) Aus der Kategorie "schräge Typen"

Im Schwimmbad: er ist mittelgroß, sehnig, braungebrannt, ein Hang zur Ledrigkeit älterer Männer. Er hat das Auftreten eines Athleten. Er mag um die 70 sein, schwer zu schätzen. Er hat eine Glatze und am Hals Falten wie eine Schildkröte. Und er trägt einen schwarzen Anzug, wie Tauchen in nicht sehr kaltem Gewässer, mit Schulterträgern und fußlos. Er trägt schwarze Schlappen und rr hat Sportlerarme. Als er das erste Mal an mir vorbeiläuft, steht der Reißverschluss des Anzugs hinten offen; ein Seil baumelt daran hinab bis zu den Knien, am Ende ein roter Püschel. Es sieht aus wie ein Schwanz. Der Rücken ist tiefbraun und faltenfrei und sieht zwischen dem klaffenden Anzugteilen aus wie der Panzer einer Schildkröte. Ein Schildkrötentyp. Er duscht lange; als er aus der Dusche rauskommt, ist der reißverschluss geschlossen. Er geht zu einer Bank, der Gang federnd. Dort setzt er seine Einkaufstasche ab und wühlt lange darin. Scheint immer wieder neu zu ordnen. Nimmt irgendwann eine Schwimmbrille heraus, ein Armband, ordnet wieder. Kommt an den Beckenrand. Steht lange da und fasst sich selbst an, an mal links mal rechts, oben und unten, als ob er prüfen müsste, ob alles noch dran ist. betrachtet das Becken, streckt den zeh ins Wasser, tritt zurück. Geht wieder an die Tasche, wühlt lange, holt eine Bademütze raus und setzt sie auf. Ah, denk ich, klar, die Glatze, da friert er schnell. Es scheint ihm nicht ganz leicht zu fallen, sie aufzusetzen. Kommt wieder an den beckenrand, steht und betrachtet, überlegt?. Schließlich, das hat jetzt aber gedauert!, lässt er sich langsam ins Wasser. Die ganze Zeit hab ich mich gefragt, wie er wohl schwimmt, ob langsam und behäbig vorsichtig, oder sportlich forsch. Es ist ein eher sportliches Kraulen, sehr gleichmäßig, und ausdauernd.

Ich stelle ihn mir als einen menschen vor, der gut mit sich alleine sein kann. Der zu seinem Körper ein inniges Verhältnis hat. 

5) Hund und Ente

"In meinem nächsten Leben werde ich ein Hund", sagt eine Frau, der das Schicksal ein paar nicht witzige Streiche gespielt hat. Ich verstehe, dass sie von einem anderen Leben träumt. Wenn man es sich aussuchen könnte - . Ich sage dann, auf den Teich zeigend "ich eine Ente". Die schwimmen sommers wie winters gechillt auf dem Wasser, quasi dauernd am gedeckten Tisch, und wenn es ihnen langweilig ist, watscheln sie einen kleinen Spaziergang oder fliegen eine Runde. Sie lieben monogam und treu, und ihre Kinder schwimmen  artig in einer Reihe hintendrein.  Ein Traum.

 

4) Kettensägenmörder

Ein Mann, eine Frau, ein Sommerwochenende, ein Wohnmobil und ein  kleiner Ausflug ins Grüne. Sie hatten kein festes Ziel, standen mal hier und guckten da, am Ende wurde es der Stadionparkplatz einer Nachbargemeinde, mitten im breiten Tal des ungestüm mäandrierenden Flusses. Das Sportheim war verwaist, die nächsten Häuser standen ein paar hundert Meter weit weg. Für Spaziergänger war das Wetter zu unbeständig; sie waren alleine. Der Abend und die Wiese gehörten ihnen und den Grillen. Es war spät geworden, und sie hatten Hunger. Nach dem Essen wurde es bereits Nacht, und weit hinten am Hang gingen im Dorf die Lichter an. Es begann zu regnen. Ihr Dach war nicht dicht, sie stellten den leeren Nudeltopf unter die Stelle, das Tropfen begleitete sie durch die ganze Nacht.

Sie schlief nicht gut. Es war durchaus romantisch, aber ihre exponierte Lage irritierte sie. Meldungen aus den „Panorama“ – „Vermischtes“ – oder „Aus-aller-Welt“- Teilen der Zeitungen gingen ihr durch den Kopf. Kettensägenmörder, die einsame, ungeschützte Camper im Schlaf überfielen. Das Böse geschah immer und überall. Sicherheit war eine Illusion, selbst wenn man sich zuhause verbarrikadierte. Der ruhige Atem neben ihr hatte nichts Beruhigendes. Wie verteidigte man sich gegen eine Kettensäge? Vielleicht gingen Kettensägenmörder bei diesem Wetter auch nicht aus dem Haus.

Sie schlief erst, als bereits der Morgen dämmerte. Als sie aufwachte, hatte der Regen nachgelassen. Sie sah aus dem Fenster, an dem die letzten Tropfen entlangrannen. Ein Besucher des Sportplatzes blickte sie strafend an. Es war kein Kettensägenmörder gekommen. Zum Glück. Die Dichte an Kettensägenmördern im Land war vermutlich gering. Höher war die der ganz normalen Kleingeister, die anderen den Spaß nicht gönnten und stets irgendeine Regel parat hatten, weshalb irgendwas nicht ging, selbst wenn niemandem ein Schaden entstand, als dem Kleingeist, der sich ärgerte.

 

3) Die Hand des Nachbarn

Seine Großeltern hatten eine zufriedenstellende Ehe geführt. Im Dritten Reich waren sie loyal zur Obrigkeit gewesen und hatten drum das Glück gehabt, in einer neu entstehenden Wohnsiedlung ein Häuschen zu bekommen. Es war ein genossenschaftliches Bauen, alle halfen zusammen, hoben mit dem Spaten die Fundamente aus und mauerten Haus um Haus. Wer welches beziehen sollte, wurde erst ausgelost, als alle fertiggestellt waren. Die Nachbarn kannten sich bereits.

Sie gründeten eine Familie und verbrachten gute Jahrzehnte in der Siedlung. Die Kinder wurden groß und zogen aus. Der Großvater starb, die Großmutter blieb übrig und saß viel auf der Bank vor dem Haus, zusammen mit Paul, dem Nachbarn, den sie nun fast ihr ganzes Leben kannte, der vertraut war wie Bruder-Lebensgefährte-Freund in einem. So hätte sie ihr Leben beschließen können, verwurzelt und ihren Nächsten innig verbunden bis zum Schluß. Doch dann berührte Paul ihren Busen. Vielleicht hatte er gedacht, er könne der Vertrautheit und Nähe eine Komponente hinzufügen. Vielleicht war es eine Augenblickslaune, vielleicht ein seit Langem gehegter Wunsch. Vielleicht hatte sie die Anzeichen übersehen, vielleicht hatte es keine gegeben. Keiner weiß es.

Sie sprach nie mehr mit ihm und nie darüber. Sie setzte sich nie mehr auf die Bank. Es war einfach vorbei.

Er ist nicht der, der Übergriffigkeit verharmlost oder relativiert. Er ist einer, der weiß, was Respekt bedeutet. Sein Bedauern darüber, dass eine Ungeschicktheit eine solche Langzeitwirkung hat, das verstehe ich. Er hätte seiner Oma noch viele schöne Stunden auf der Bank gewünscht, zusammen mit Paul, der Bruder-Lebensgefährte-Freund in einem gewesen war. Ist doch schade, wenn eine einfache Berührung die Macht hat, eine innige Verbundenheit aufzulösen, wenn es so gar nicht möglich ist, ein Zu-nahe-treten zu verzeihen.

 

2) Die Herkunft des Wortes Hallo

Ich mag „Hallo“ nicht sonderlich. Es klingt mir so nichtssagend. Im Duden erfahre ich, das Wort komme von mittelhochdeutschen „hola“, was man im Mittelalter dem Fährmann zugerufen hat – „hol mich rüber“. So ganz genau weiß man es nicht. Es ist eines der  am weitest verbreiteten Wörtern der Welt.

Lustiger finde ich die Geschichte, es komme von „ attention à l´eau“. Im mittelalterlichen Paris gab es keine Kanalisation. Man kippte den Nachttopf wie das Kochwasser einfach aus dem Fenster, und damit es niemanden träfe, rief man zuvor „attention à l´eau“, woraus „à l´eau“ wurde, - „allo“, französisch „Hallo“ ohne „H“. Das heißt also „Vorsicht Pisse.“

Ich sage lieber „Guten Tag“.

 

1) Der Wurstbudenkönig

Seine vorherige Wohnung hat mein Geschichtenerzähler dem Wurstbudenkönig abgekauft. Die Wohnung war unrenoviert und dennoch nicht billig gewesen. Und es musste viel ausgeräumt und entrümpelt werden, stapelweise Mayonnaise- und Senfeimer, kistenweise durchgebrannte Heizstäbe, palettenweise fettige Regale und und und. Das kostete, entgegen den Versprechungen des Wurstbudenkönigs, nicht wenig. DER hatte gesagt, seien alles tiptop Sachen, könne man verkaufen, benutzen, Geld damit machen, „hat alles einen Riesen-Wert“.  Den Gewölbekeller wollte er verkaufen, als „Proberaum“ und als „Lager für Konzertequipment“ - wie man wem was schmackhaft macht, das wusste der Wurstbudenkönig. Der Wurstbudenkönig selbst wohnte nicht in der Stadt, sondern 100 Kilometer weiter in der Landeshauptstadt, von wo er gerne und oft mit seinem alten Daimler anreiste, stets einen weißen Metzgerskittel tragend, obwohl er schon lange keine Würstchen mehr briet. Gebürtig war der Wurstbudenkönig von hier, aus der Nachbarschaft dessen, der mir von ihm erzählte, wo die Familie einst eine Ölmühle und Land drumherum, und später Häuser und Gaststätten und allerhand mehr besessen hatte. Es mag eine dieser mehr oder weniger zufällig reich gewordenen Familien gewesen sein, wo man mit dem Reichtum eigentlich gar nicht klarkam. Es gibt solche Bauernfamilien in der Gegend, deren Äcker plötzlich Bauland geworden waren, und die plötzlich Immobilien besaßen und nie gelernt hatten, dass man das unterhalten und pflegen muss, die weiterschafften wie bisher und den eigenen Wohlstand kaputtsparten, und deren Kinder mitunter echt schräge Biographien durchliefen. Vielleicht ist es eine Art Kulturschock, von jetzt auf gleich dem angestammten Milieu nicht mehr anzugehören, und ein anderes aber auch nicht zu verstehen. Wir mutmaßen und fantasieren, wir wissen´s nicht.

 Der Wurstbudenkönig wie sein Bruder blieben Zeit ihres Lebens unverheiratet und kinderlos und im Alter zunehmend schrullig. Der Wurstbudenkönig hatte in der Landeshauptstadt sein Imbissimperium aufgebaut, bis die Döner- und Kebapbuden ihm das Geschäft versauten. Er hat ihnen das nie verziehen. Die freie gewordene Zeit füllte er mit dem Verwalten seiner Immobilien, und wo noch Platz war, füllte er ihn auf mit allerhand zusammengesammelten Zeug, „von Riesen-Wert“. Aber wer ein Haus oder eine Wohnung kaufte, stöhnte angesichts der Entsorgungskosten.

Mein Geschichtenerzähler hat ihm mal Geld geliehen, ein paarhundert Euro. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn er es nie wieder gesehen hätte, aber ein paar Monate später erhielt er eine Überweisung über den ausgeliehenen Betrag plus 200 Euro Zinsen.

 



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