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Das Elend vom Parkhaus und der "roten Wand"

Vom Zwang zu bauen
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Ich war auf der Einwohnerversammlung, in der es um das umstrittene, geplante Parkhaus am Nägelesgraben ging. Beeindruckend. Umstritten ist es – in der Tat - heftig. Schon vor Beginn hatte ich eine Diskussion über die Zusammensetzung der Anwesenden. Es seien zu wenig Junge da, „die interessieren sich offenbar nicht dafür“. Sah ich anders. Es waren junge Leute da, nicht in Massen, das stimmt, aber wer es zuhause vor dem Bildschirm verfolgte, weiß man nicht. (Und es waren auch die Alten nicht in Massen da.) Vielleicht geht es denen auch nicht so sehr um Stadtplanung, im Moment. „Weshalb kommen die nicht ins Boot – wo es um IHRE Zukunft geht?“, monierte mein Gegenüber.  „Sie steuern andere, eigene Boote?“ fragte ich, und unterstellte – sie tun das mit guten Gründen. Die Jungen engagieren sich in Fridays for future, die älteren in lokalen Agenden, jede/r, wo er/sie sich am Besten einbringen kann. Bei den Alten ist auch oft eine Portion Wutbürgertum dabei, der es schnell um eigene Befindlichkeiten geht, um den Frust des Übergangen -seins etwa, mit dem Alt und Jung verschieden umgeht. Mit Befindlichkeit ist´s schnell weg vom Thema. Dieses hat just einer der Jungen - Carl Soballa, einer der Initiatoren der Unterschriftenaktion - am besten auf den Punkt gebracht. Alles steht und fällt und macht nur Sinn mit einem anderen ÖPNV, einer neuen Form der Mobilität und des Umgangs mit Ressourcen.

Es kamen diverse Gruppen, Initiativen, Planer*- sowie Einwohner*innen zu Wort. Ich nicht, und ich habe auch gestreckt und ein paar Fragen online eingegeben. Nu denn. Ich meine, es war von vornherein klar, dass es eine Informationsveranstaltung und ein Auftakt sein sollte und diese Form nicht eine große Diskussionsrunde sein könnte, in der jeder mal zu Wort kommt. Und „es ist noch nichts entschieden“ – das stimmt ja. So lange nichts steht, steht nichts. Selbst Stuttgart21 ist erst wirklich wahr geworden, wenn der erste Zug einfährt.

Das Parkhaus ist in den Planungen eine echte Augenweide, in den schillerndsten Farben gemalt und gefüllt mit Ideen von Car-sharing und Ebike-Verleih, mit Radwerkstätten und -waschstationen. Den Texten nach wäre das Parken von privaten PKW eher nebensächlich. Und irgendwann kommen mit autonomen shuttles die Pendler vom Bahnhof hoch und die Touristen über die Hängebrücke vom Berner Feld. Das kann man sich alles vorstellen in den Planungs-und Verwaltungsbüros, während der Rest der Rahmenbedingungen bezüglich Mobilität - der individuelle Autoverkehr, ein Haushalt/ ein Auto (wenigstens) und ein ÖPNV in großen, roten Bussen - festgeschrieben steht für die nächsten Jahrzehnte und Grundlage ist und bleibt. Und weil auch die Arbeitswelt unverändert bleibt und zum Beispiel in der Stadtverwaltung niemand ins Home-office kann und somit ein Parkhaus fast komplett belegt ist, fehlen am Ende runde 250 Parkplätze. Und also gibt es zu einem Parkhaus im Norden der Stadt keine Alternative. Denn fest steht, dass „die rote Wand“ auf dem Friedrichsplatz, die wie Perlen auf der Schnur aneinandergereihten Busse, weg muss. „Der erste Eindruck zählt“ : wenn die Gäste am Bockshof von der Brücke kommen, sollen sie nicht als Erstes auf einem Platz stehen, an dem die schönen Häuser hinter Bussen verschwinden, der Müll der Imbissbuden aus den Mülleimern quillt und Leute mit Discountertüten Zigaretten-qualmend auf den nächsten Bus warten. Also soll der Umsteigebusbahnhof vom Friedrichsplatz zweihundert Meter weiterziehen bis hinter den Norma, „ZUP“ heißen, und unter schick-futuristischen Dächern die Tüten und ihre Besitzer*innen schützen.

Ich bezweifle, dass es einen solchen ZUP zukünftig und zwingend wirklich braucht. Es braucht öffentlichen Nahverkehr, mehr als jetzt, freilich, aber nicht solchen. „Die rote Wand“ ist nicht nur absurd, weil sie einen großen Platz praktisch für sich beschlagnahmt, sondern auch, weil diese Art Mobilität nicht funktionieren und sich niemals rechnen kann. Morgens zu Schulbeginn sind die Busse proppenvoll, da drängen sich die Passagiere stehend darin. Tagsüber fahren sie meist fast leer. Da wird erst bewusst, WIE absurd das ist. Ich bin öfter mit dem Bus unterwegs, manchmal sitze ich alleine drin, manchmal mit noch ein paar anderen – fast immer passten wir locker zusammen in einen Van. Ich habe auch schon Leute wieder aussteigen sehen, weil ihnen die Fahrkarte zu teuer war. Ein Einzelticket kostet 2,30 Euro, ein Tagesticket 4,60 Euro. Damit könnte man im ganzen Stadtgebiet mitsamt seinen Eingemeindungen und Zimmern kreuz und quer fahren. Aber es fahren ja nun die wenigstens Bus, weil es ihnen ums Busfahren geht. Wie ich selbst fährt man wohin und anschließend heim und nimmt nur einen Bruchteil des potentiell möglichen Angebots wahr. Für ein Mal Hausen und zurück etwa aber sind 4,60 Euro viel. Wie das Unternehmen rechnet, weiß ich nicht. Aber der Betreiber der Schulbusse ist derselbe wie der des öffentlichen Nahverkehrs, der Umland und Stadt verbindet. Dabei sind das zwei völlig verschiedene Aufgaben. In manchen Ländern wird das deutlicher. In angelsächsischen Ländern zb bringt ein „big yellow schoolbus“ die Schüler*innen in die Schule und fährt der ÖPNV davon völlig unabhängig in grün, blau, rot oder whatever  und wenn es sich anbietet eh ganz anders und auf Schienen. Und die Preisstaffelung entspricht jeweils dem des Netzes, das sie bilden. Während hier Nicht-Inhaber*innen einer Monatskarte, die sich erst lohnen würde, wenn an mindestens drei Tagen die Woche eine Fahrt stattfindet, das Volumen mitbezahlen sollen, das sich am morgendlichen Schulbeginn orientiert. Selbst wenn ich und meine Mitpassagiere jeder zehn Euro zahlten, würde sich das nicht rechnen, auch in Elektro nicht. Größe und Rechnung stimmen nicht.

An diesem Punkt müssten die Überlegungen beginnen. Aber selbst der in der Versammlung sprechende Herr, der den öffentlichen Nahverkehr kennt und plant seit Jahrzehnten, geht vom morgendlichen Schulanfang aus und von einem Status quo an Bedürfnissen im ÖPNV.

An diesem Punkt müssten die Überlegungen beginnen. Aber selbst der in der Versammlung sprechende Herr, der den öffentlichen Nahverkehr kennt und plant seit Jahrzehnten, geht vom morgendlichen Schulanfang aus und von einem Status quo an Bedürfnissen im ÖPNV.

Für die Schulbusse gibt es Busbahnhöfe. Daran fehlt es nicht. Der ÖPNV, der Stadt und Land verbindet, der muss - und wird - sich ändern. Und in Rottweil versuchen wir etwas zu planen mit einer Denke von gestern, (Schülerbeförderung = ÖPNV), dem Bedarf von heute, und den Bedingungen von morgen und übermorgen. Weil 2028 die Landesgartenschau stattfindet und jetzt die Fördertopfampel „auf grün steht“, O-Ton. Dem kann ich schon folgen, ich könnte, verstehen tu ich, was gemeint ist – ich will aber nicht. Etwas bauen, angebunden an ein Projekt, welches selbst einmalig und kurz ist, und das Gebaute ist an die Bedürfnisse der Zukunft so wenig angepasst wie das gegenwärtige, weil der Rest der Voraussetzungen noch gar nicht so weit ist. Gebaut wird einfach, weil das Geld grad da ist. So wie man manche Budgets im ausgehenden Jahr ausschöpft, damit sie im nächsten nur ja nicht gekürzt werden. Bauen, bevor das Geld weg ist. Dabei kennt man den kommenden Bedarf noch gar nicht. Auch die Experten der gewesenen Versammlungen kennen ihn nicht. Zumindest haben sie kein Sterbenswörtchen darüber verloren. Man ging konsequent vom Ist-Zustand aus. Nachhaltig ist das nicht. Sinn machen tut es auch nicht.

Ich wünsche mir -  nicht nur in diesem Zusammenhang – in vielen – Entscheider, Obrigkeiten, Verwaltungen, Chefs, Leiter, Vorgesetzte - die Regeln, welche an einem gewissen Punkt keinen Sinn machen, auch angehen; die den Willen dazu haben, ihre Wege ´nach oben´ auszuschöpfen und den Mut, Voraussetzungen auch zu ändern, statt nur darauf zu verweisen „wir machen x, weil die Situation von y so vorgegeben ist“. Vorgaben lassen sich ändern. Es ist die Aufgabe der Chefs, das anzugehen und neue Wege, wo notwendig, einzufordern.

Das braucht Zeit.  

Ich verstehe schon, dass hinter Stadtpolitik und -planung ein diffiziles Spiel mit Fördertöpfen steht. Ein Parkhaus würde von einer Gartenschauförderung bedacht, eine Neuausrichtung des ÖPNV nicht, weil die in ganz andere, bestehende Systeme und Verträge eingebunden ist. Schon klar. Aber dann stellt sich doch die Frage: muss es wirklich sein? Wieso nicht einfach lassen? Wir leben schon so lange mit „der roten Wand“. Dann haben wir sie halt noch etwas länger. Bis klar ist, wohin die Reise geht mit dem ÖPNV und dem Leben in Stadt und Land in Zeiten der Klimakrise. So schlimm ist es auch gar nicht. Ich sitze öfter am Friedrichsplatz, warte, und gucke so rum, und sehe Leben, wie es halt grad so ist. Und finde das ganz unterhaltsam. Dieser Platz ist tatsächlich etwas „Stadt“, nicht Ausstellungs-und Projektionsfläche, wo jeder das Idyll sehen will, das Gemüter und Träume füttert. Auch dies ist Rottweil, das schöne, alte, lauschige Rottweil. Und wenn wir nicht wollen, dass dieser Platz von den Gästen zuerst gesehen wird, dann führen wir sie halt durch den Lorenzort vor zur Hauptstrasse und von da nach oben. Den Stadtführer*innen wird da schon was einfallen. Und die Gartenschau kommt ohne schmucken Friedrichsplatz aus. Vielleicht muss man auch da etwas von den Superlativen runterkommen. Nicht weit weg von Überlingen, auf das jetzt alles geschaut hat, hat ein paar Kilometer weiter in Lindau ebenfalls eine Landesgartenschau stattgefunden, die bayrische. Sie war klein und beschaulich, und für die, die da waren, ein lohnendes Ziel und Schauplatz eines gelungenen Tagesausflugs. Was will man mehr. Es muss nicht immer das ganze, große Programm sein. Dann ist die Stadt halt nicht ´fertig´ mit diesem Gartenschau-Großprojekt. Dann bleiben halt diverse Baustellen. So what. Rottweil ist über 800 Jahre alt. Es war nie ´fertig´ und wird es auch nicht sein.

Wenn ein Projekt so umstritten ist, dann ist es das nicht zu Unrecht. Dann spricht viel dagegen. Wenn es in seiner Planung als quasi als ´alternativlos´ gilt – umso mehr. Es gibt aber keine Alternativlosigkeit im Verkehrten.

Wieso nicht einfach lassen? Erstmal. Bis man weiterweiß.

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