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Über „essen, was auf den Tisch kommt“ und andere Erziehungsmaßnahmen

und über Frauen und alle, die nicht Männer sind
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Die Angst vor einer neuen Gesellschaft ist eine männliche. Und es gibt sie unter Männern von links bis rechts, aber sehr viel mehr rechts. Und je größer die Angst, desto weiter rechts scheint sie.

„Früher war besser“, das steht bei Männern 40+ ausser Frage.  Da hatte alles seinen angestammten Platz - Arbeit, Frau, Kind und Kegel - Haus und Auto, und jeder wusste, was er zu tun und zu lassen hatte. Jeder und jede, alles Weibliche galt automatisch als mitgemeint. Heute ist die Welt eine andere. Für die allermeisten ist sie reicher geworden, anstrengender auch, weil halt alles seinen Preis hat. Und jetzt hätte man gerne den Komfort und die Errungenschaften von heute mit der Übersichtlichkeit von früher. Aber da kann man an Schrauben drehen so lange man will – die Kombi ist so sicher nicht hinzubekommen. Die meisten Frauen sehen das gelassen – bei ihnen ist dies „früher war besser“ sowieso wenigster stark ausgeprägt. Manche Veränderung spüren sie als Verbesserung am eigenen Leib. Vielleicht gucken sie auch anders auf den Nachwuchs und sehen, wie klasse der mitunter ist, besser in so vielem.

„Woke“, einst ein positiv besetzter Begriff, geprägt von afroamerikanischen Bestrebungen, Rassismus, Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu überwinden, ist heute ein Schimpfwort. Als  „woke“ wird verunglimpft, wo mann sich zu einer Veränderung genötigt sieht. Und Veränderung ist gaanz gaanz schlimm. Jedenfalls, wenn sie nicht männlich ausgerichtet ist und ins männliche Selbstverständnis passt. Frauen in Führungspositionen, wenn´s unbedingt sein muss, aber auf Worte wie „N....kuss“ oder „Z…schnitzel“ zu verzichten, oder gar ein angehängtes „IN“ auszuhalten, das geht gar nicht. Und erst ein fleischfreier Tag in der Kantine - der wohlgemerkt kein durchweg vegetarischer sein müsste, Wurstsalat und Schnitzel zuhause sind deswegen ja nicht verboten – absolut indiskutabel! Dabei wäre das nur der Versuch einer Bewusstmachung und eine Übung, es auch mal anders zu versuchen, die Speisepalette etwas zu erweitern.

Es tobt ein Kulturkampf. „Gesellschaftsclash“ hat das neulich jemand genannt. Ums Gendern, Reisen, um Mobilität überhaupt, um Tempolimit und Take-away-Verpackungen – da wird gestritten, dass ich mich nur wundern kann, wovon Selbstverständnis und Freiheit anscheinend alles abhängen. Und eben übers Fleisch und den Veggieday in Speisesälen, der unzumutbar sei. „Wie früher“ hätte mann´s gerne, und vergisst, dass da gegessen wurde, was auf den Tisch kam, und dass das begrenzt und sehr oft fleischlos war. Groß und stark ist mann offenbar dennoch geworden. Aber da war Essen auch frei von politischen Veränderungsversuchen. Und es waren weder Grüne noch Frauen noch sonst irgendwelche seltsamen Personen, die unzumutbare Neuerungen an einen rantrugen. „Ich will mir das von niemandem vorschreiben lassen“, wegen „Freiheit!“.

Ich finde diese Latte etwas zu hoch gehängt.  „Essen, was auf den Tisch kam“ war früher, als alles besser war, okay, und da war ganz logisch, dass das auch von äußeren Faktoren abhing, von Budget, Jahreszeit, Klima und Ernte, von Energie und Laune des Kochs/der Köchin… . Und natürlich hängt Essen auch heute noch von all diesen äußeren Faktoren ab, nur haben wir den Blick dafür verloren. Vielleicht will nicht jeder jeden Tag wirklich ein Schnitzel essen, aber die Möglichkeit des täglichen Schnitzels MUSS bestehen bleiben, wie die auf Erdbeeren das ganze Jahr bitteschön, und wenn ganz Spanien deshalb verdurstet - der Supermarkt hat´s versprochen, und das ist jetzt unsere große Freiheit und Selbstbestimmung.

Mich dünkt sie recht dünnhäutig und unsouverän, diese von Konsum und Vergnügungen abhängige Selbstbestimmung.

Ich habe in jüngster Zeit öfter diskutiert übers Gendern, Veggiedays, über neue Möglichkeiten für LSTB*Q-Leute. Und über die Afd, die angeblich nur Fuß fasst in der Gesellschaft, weil diese von „Umerziehungsmaßnahmen“ wie hier erwähnt drangsaliert wird.

Das ist Unfug.

Gendern ist nicht Pflicht. Man hat eine Schreib – und Ausdrucksweise überlegt, die nicht nur männlich adressiert, sondern alle anspricht. Das ist weder in den Duden übernommen als offizielle Schreibweise, noch ist es gesetzlich vorgeschrieben. Vielmehr haben etliche Verwaltungen, Unternehmen und Institutionen selbst sich überlegt, welchen Geist sie pflegen wollen und haben das Gendern in ihren Häusern entweder zum neuen Standard erklärt oder ganz im Gegenteil verboten. Privat kann es eh jeder halten, wie er/sie/es mag.

N- und Z-Wörter braucht es nicht. Es wäre auch Unfug, das als schützenswerte Tradition verteidigen zu wollen. Es gibt kein tradiertes Recht, andere Bevölkerungsgruppen zu verunglimpfen und zu beleidigen. Was das Selbstbestimmungsgesetzt angeht, so ist diese Aufregung überhaupt nicht nachzuvollziehen, denn selbstverständlich haben alle Menschen männliche wie weibliche Anteile, bei jedem anders zusammengesetzt, und was wie bei wem überwiegt und zum Tragen kommt, das weiß nur dieser Mensch selbst. Und was im Pass steht, mag Polizei und Zoll interessieren - wie es in der Unterhose aussieht, das geht schlicht niemanden was an. Soll jeder sein dürfen, was und wie er will. Wo ist da bitteschön das Problem? Deshalb darf ein Mann ein Mann sein und eine Frau eine Frau, aber wenn jemand mit Penis Frau sein will, darf sie das halt auch – und andersrum und zwischendrin und beides gemischt geht auch.

DAS ist Freiheit und Selbstbestimmung.

Diese Indianerdebatte vor einiger Zeit war von der Bildzeitung hochgepuscht, und über das Gendern lassen sich vornehmlich Rechte und Konservative aus. SIE tun so, als würden von der Politik Verhaltensmaßregeln vorgeschrieben, was so nicht geschieht. Diese angebliche Umerziehungs- und Verbotspolitik ist eine miese Propaganda.

Eine andere, bessere Gesellschaft darf´s für mein Dafürhalten freilich schon sein. Geleitet von Mitgefühl und Kooperation und Respekt für alle.  Kein „ich bin stolz ein Was-auch-immer-auf-dem-Pass-steht zu sein“ und „Familie“ als Lösung aller sozialen Belange. Ich bitte das nicht falsch zu verstehen: ich liebe und kümmere mich leidenschaftlich um meine Familie, die, in die ich hineingeboren wurde, wie die, welche ich mitgegründet habe. Aber zu meiner Freiheit und Selbstbestimmung gehören auch sehr viele Strukturen ausserhalb dieser Familien - Institutionen, Behörden, Vereine, und ja, auch staatliche Leistungen. Die machen unabhängig, und das ist eine sehr große Freiheit, für sehr viele Leute, männliche wie weibliche wie diverse. Diese Leistungen lassen Raum zur Selbstbestimmung und Energie, auf andere Weise das Beste aus sich rauszuholen. So gesehen für alle eine Win-win-Situation. Die Familie als kleinste Zelle wird ja auch keineswegs abgeschafft - wozu auch, sie hat sie ja bewährt - aber Pflicht und Zwang kann sie halt auch nicht sein, und sie hat auch nicht nur eine einzige Form. Es soll eine Gesellschaft sein, in der jeder respektiert wird und frei ist, sein Leben zu gestalten, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Kontostand und Religion. Und wenn man das wirklich und ernsthaft durchziehen will, dann verändern sich halt auch ein paar Spielregeln.

Und das ist der springende Punkt. SO war´s dann doch nicht gedacht.  Frauen als gleichberechtigte Partner*innen, das kann ja noch angehen. Dafür übernehmen sie auch mehr Aufgaben. Das hat durchaus Vorteile. Aber der Bestimmer will mann dann doch bitteschön bleiben, der, der sagt, wie´s läuft. „Der Staat“ bliebt männlich, und damit Basta. Eher richten wir den Planeten vollends zugrunde, bevor wir bereit sind, da auch nur zart dran zu rütteln und es anders zu versuchen. Wirtschaft und Politik bleiben männlich, und was nicht männlich daher kommt – ein Merkelscher Hosenanzug war dahingehend Reminiszenz genug – das wird lächerlich gemacht und diskreditiert. Und sofort wird geheult „so nicht!“. Denn es IST ein Heulen. Was mann „Umerziehung“ nennt, wäre nämlich nichts anderes als ein Erwachsen-werden. Es ist doch kindisch, ewig der Bestimmer sein zu wollen. Das lernen Nicht-Männer schon in Kindergarten und Grundschule, ab dem ersten Atemzug. „Ich will!“ und „sofort!“ gilt nur für Babys, die lauthals schreien dürfen bis ihre Forderung erfüllt wird. Aber schon sehr bald wird doch eigentlich klar, dass Großwerden und - sein auch mit Warten und Teilen und dem Frust unerfüllter Wünsche zusammenhängt. Mann wäre überrascht, WIE groß und stark mann sein kann, wenn mann das erstmal verinnerlicht.

Stattdessen jammert mann und fühlt sich überfordert und rennt zur Afd, die verspricht es zu richten, damit alles wieder ist „wie früher“. Und wenn man sie auch nicht selbst wählt, sondern „nur versteht“, wenn andre das tun, weil sie ja so arg ist, diese Überforderung, dann nenn ich das dennoch verweichlicht und ganz und gar unsouverän. Männer, die nur Männer und irgendwie "selbst" sind, wenn sie die Hosen anhaben und über andere bestimmen können - wenigstens in der eigenen Familie, denn darauf läuft´s ja hinaus in dieser konservativen und rechten Überbetonung von „Familie“  - das braucht kein Mensch. Es sollte weder einen bestimmten Pass brauchen, noch braucht es ein Körperteil oder Unmengen an Konsum und Luxus für Selbstbestimmung und Freiheit. Vielmehr braucht es dazu Selbstreflexion, Empathie, Mut und Fantasie.

„Alles fließt“. Nichts bleibt, wie es war. Und wenn es sich schon verändert, dann soll es doch bitteschön besser werden. Und „besser“ ginge grad in sehr vielem.

Ich habe keine Angst vor ein paar Prozentpunkten mehr für die Afd. Gewinnen wird sie nie, sie wird ihr Gesellschaftsbild nicht umsetzen können. Der Geist ist aus der Flasche, und er geht nicht wieder rein. Die Welt ist nicht männlich, und das ist gut so.   

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