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Das süße Leben

und ein Hauch von Ewigkeit
copyright Rottweil ist überall

Im Urlaub scheinen die Tage länger. Erstmal. Randvoll gefüllt mit neuen Eindrücken sind sie jedenfalls intensiver, so dass im Erleben mir bereits am Montag ist, als wäre der Samstag, der Tag der Ankunft, ewig her. Das ist kein Fehler, in dieser sogenannten „Ewigen Stadt“, in der man durch mehr als zweitausend Jahre Geschichte läuft. Rom. Was war das nur für eine Schnapsidee, so weit zu reisen für nur eine Woche, und die noch zweigeteilt in Stadt und Strand. Die Woche darauf bin ich krank und der Kopf schafft es selbst im Nachhinein kaum, die Eindrücke zu sortieren. Im Grunde genieße ich das. Das ist eine Form des „dolce vita“ - die Süße der Gedankenlosigkeit. Ich will mich dennoch an einem Ordnen versuchen.

Da war zuerst mal der Dom, den ich hätte sehen wollen bei dem Zwischenstopp in Mailand. Eine der größten Kirchen der Welt, 12.000 qm Fläche, Platz für 35.000 Leute. Im 14. Jahrhundert begonnen und erst im 19. fertiggestellt. Wir waren nicht dort. Bis wir vom Bahnhof zur Unterkunft gefunden haben, ist es zu spät, und Mailand ist halt doch größer als gedacht und der Dom keineswegs grade mal so um die Ecke. Und da rächt sich auch zum ersten Mal, dass ich mich mit dem Handy zu wenig auskenne und weder mit Googlemaps bewandert bin noch mit diversen anderen Apps und Portalen, so dass sowohl das Finden als auch das Einchecken in die AirBnB-Unterkünfte jedes Mal eine kleine Herausforderung ist. Ich habe mich kaum je so viel verlaufen wie in dieser Woche. Mittlerweile habe ich Googlemaps installiert und versuche mich am Wandern mit Kompass. In Mailand sind wir erstmal froh, drin in der Unterkunft zu sein, ich stehe auf dem Balkon und blicke auf Dreharbeiten unten auf dem Gehsteig, auf den trotz später Stunde noch tosenden Verkehr und auf das Lichtermeer. Eine Stadt, eine richtige, große, quicklebendige Stadt.

Mailänderinnen sind wie Römerinnen schicker. Die Tops sind knapper, die Röcke kürzer, die Nägel länger, Haare schwärzer, die Absätze höher; Frau geizt nicht mit Reizen. Zurück in München fällt mir das erst so richtig auf, als die Mädchen wieder Jeans und Sneakers tragen - und die Jungs Schlabbershorts und blöde Tshirts, statt Hemd. Den Männern täte eine Prise italienischen Chics mitunter nicht übel, meine ich.

Die ersten Eindrücke in Rom sind allerdings andere. Die Hitze steht in der Strasse vor dem Bahnhof, unter dem Vordach liegen Matratzen und Schlafsäcke in einer langen Reihe. Eine Frau mit graumeliertem Haar hat sich eingerichtet. Eine Decke markiert ihren Bereich, ein Abteil Gehsteig als Wohnung,  die Taschen drumherum bilden die Grenze, darin ein Blümchen im Topf, ein Bild an der Mauer, und sie sitzt mit dem Rücken zum Trottoir und strickt. Wir suchen auch hier und laufen zwei Mal vorbei an diesem öffentlichen Wohnen. Dann durch eine lange Unterführung, in der zwischen Säulen Matratzen-und Pappkartonlager sind. Es dröhnt ohrenbetäubend und die Leute, die da liegen, tun mir leid. Was für ein Elend. Am Ende der Unterführung Container, aus denen Müll quillt und sich stinkend drumherum verteilt. Das ist ein durchaus typisches Bild, das werde ich noch oft sehen und riechen, überquellende Müllcontainer. Rom hat ein Müllproblem.

In solchen Metropolen sind die Gegensätze immer krasser. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist sichtbarer und größer, und Glanz und Niedergang gehen Hand in Hand. Vielleicht geht das immer so - die Einen schöpfen aus den Vollen und bauen grandios und kolossal, dann wird über viele Generationen abgelebt bis nichts mehr geht, und erst wenn aller Glanz schon fast in Trümmern liegt, muss, was da lebt, weichen, und Andere kommen und investieren und machen auf Neu. Ein Erhalten auf einem ausgewogenen Level scheint nicht drin; das Leben ist immer so gerechnet, dass es gerade so reicht. Rom ist ein Laufsteg, ein Armenhaus und eine riesige Baustelle.

Uns alle beeindrucken das Kolosseum und das Forum Romanum. Diese Ausmaße! Und die Vorstellung, wie weit man diese vielen Steine herangeschafft und wie man sie aufgetürmt hat. Die heutige Technik wirkt läppisch dagegen. Sowieso - antiker Beton hält seit Jahrtausenden, moderne Brücken heute sind nach fünfzig Jahren bereits marode. Krass. Die Kinder bekommen Sonnenhüte, die wir später verlieren. Ein Afrikaner bindet uns ungefragt Armbänder um, für die er 20 Euro verlangt. Geld loswerden ist leicht in dieser Stadt, die Scheine fliegen geradezu aus dem Geldbeutel. Und wir bewegen uns langsam von Nasoni zu Nasoni, so heißen die vielen Brunnen am Strassenrand, aus denen man jederzeit trinken und sich abkühlen kann, und von Schatten zu Schatten. Es ist unsagbar heiß, wir verlieren regelmäßig die Orientierung, und am Sonntagmittag stranden wir an der absurdesten Metrostation, die die Welt zu bieten hat, am Ausgang zum Park Villa Borghese zwischen einer Schnellstrasse, Ödland und den Trampelpfad durchkreuzenden Leitplanken. Der See im Park erweist sich als kleiner grüner Tümpel, in dem offenbar sämtliche ausgesetzten Wasserschildkröten Italiens eine Heimat gefunden haben. Die Füße ins Wasser hängen geht nicht, und am Spielplatz sind die Geräte abmontiert. Wegen der Spielplätze kommt man nicht nach Rom, aber dieser ist nun wahrlich der trostloseste, den wir sehen. Die Schaukeln sind abgehängt, vom Klettergerüst steht nur das Gerüst, ohne Möglichkeit zum Klettern, und an der Mauer häufen sich die Schutzmatten. Die Kinder finden eine Pfütze und spielen mit Algen. Die Mittagshitze ist vorüber und unser aller Energie ist verbraucht, aber mir ist egal, wie sehr alle maulen – ich will nicht zurück in unsere Unterkunft. „Ich fahre nicht 1100 Kilometer um die Bar vor dem Haus zu sehen!“ Ich werde als „Schwabe!“ geschmäht und habe kein Problem damit. Wir gehen zum Trevibrunnen. Der ist von Menschenmassen geradezu belagert. Aber das macht nichts. Die Kinder sind entzückt, marmorne, geflügelte Einhörner und wasserspeiende Löwen, und alles so gigantisch. Sie bedauern, dass man nicht hineinhopsen darf und schaffen es – ich bin beeindruckt – sich pitschepatschenass zu machen eben ohne hineinzuspringen und ohne die dicht an dicht stehenden Mittouristen zu bespritzen. Der Heimweg wird wegen Verlaufen doppelt so lang. Die Kinder erholen sich bei einem Film und die Großen genießen eine Stunde Rom bei Nacht. Die ist ziemlich dolce.  

Auf Englisch heißt Reise auch „Trip“, und das ist es. Wir erleben nicht nur eine neue Stadt, sondern uns miteinander auch neu. Die Kinder und ich sind ein eingespieltes Team, auch und gerade auf Reisen, aber mit männlichem Begleiter, das ist neu. Die Kinder sind schneller bereit als ich, scheint mir, sich auf Veränderungen einzulassen. Immerhin – dies erste Mal war gut genug, dass alle Beteiligten bereit sind, es zu wiederholen. Ich sage „aber dann mit Stadtplan und Kompass!“, und wenn es das erste ist, was ich nach der Ankunft besorge. „Dann wird es ja NOCH schlimmer“, sagt er, und ich lache ihn aus, „heul doch“. Tut er nicht. Er fands auch sehr schön.

Ab Montag sind wir wieder zu dritt, unser Begleiter fährt heim in den Alltag, und wir besichtigen den Petersdom. Nicht die größte Kirche der Welt – die steht in Afrika – aber die mit dem größten Fassungsvermögen. 60.000 Leute finden im Petersdom Platz, was ich schier unglaublich finde. An diesem Pfingstmontag sind es deutlich weniger, aber immer noch genug.

Rom war und ist politisches Zentrum, jede Zeit hat ihre Denkmäler und Monumente hinterlassen, eines größer als das andere, (ein bisschen Größenwahn steckt schon drin), und hier schlägt das Herz der katholischen Kirche. Das Mädel will sich taufen lassen und zur Kommunion, also sind Glaubensfragen Thema in der Familie und ich denke, wir können diesen Part Roms nicht ignorieren. Großzügig in der Stadt verstreut stehen die prächtigsten Kirchen, die man sich nur vorstellen kann. Wenigstens eine, die wichtigste will ich mit ihnen besucht haben. Die Katakomben wären vielleicht spannender gewesen, und kühl, aber wir wollen mal nicht mit den Gruselgeschichten beginnen. Unterm Petersdom liegt das Grabmal Petrus´. Heißt´s. Der Baldachin imponiert und die Höhe der Kuppel, die Pietà interessiert nicht, viel cooler ist es dagegen, sich vor dem Grabmal eines toten Papstes, dessen Sarkophag von zwei Löwen getragen wird, gegenseitig zu fotografieren. Der Opa hat kurz vor der Abfahrt noch empört erzählt, (ich glaube, er tut sich etwas schwer mit der Vorstellung, dass die Enkelin sich anschickt, katholisch zu sein – die Familie ist protestantisch), wie man seinerzeit den Menschen Angst gemacht hat vor dem Fegefeuer, in dem man später selbst und bereits jetzt die toten Ahnen schmorten - wenn man nicht Ablassbrief um Ablassbrief kaufte. So wurde ab 1500 der Bau des Petersdoms finanziert. Das Mädel schert das heute nicht die Bohne. Sie verlangen nach Pizza, und die gibt es nach einem Abstecher zur Engelsburg, in deren Schatten ein magerer Spielplatz steht, dann teuer und mäßig gut. Danach wollen wir shoppen gehen, die Kinder haben Geld vom Opa bekommen, aber wir verirren uns zwischen Nobelboutiquen und blendend heißen Plätzen. Schließlich entdecken wir einen H&M und kaufen Tshirts, die wir auch zuhause hätten kaufen können, aber dann sind sie nicht aus Rom. Alle sind happy, und für weiteren Bummel sind die Füße zu heiß. Das Mädel klagt, der Bub träumt vom Meer.

Da fahren wir anderntags hin. Nach Ostia, wo wir in der Mittagsglut die neue Unterkunft suchen; der Weg zieht sich, das Mädel ist kurz vor Sitzstreik. Aber das Wandern lohnt sich – unsere neue Unterkunft stellt sich als entzückendes Gartenhäuschen heraus, in dem wir uns alle sofort heimisch fühlen. Außerdem zeigt sich hier, dass es gar nicht schlimm ist, dass wir in Rom nicht an der Bocca della Verità waren. Wir kommen daheim in Rottweil oft dran vorbei, wo ein Replik an der Polizeiwache hängt, daher wissen wir, was es damit auf sich hat, und hier hängt sie im Hof, wir nehmen die als Original, was soll´s. Jeder bekennt sich zu diversen Lügen und steckt dann die Hand hinein - nichts geschieht, wir freuen uns, halten uns nicht lange damit auf – uns zieht´s über die Straße ans Meer. Das ist azurblau und herrlich erfrischend - und sehr salzig: vier Gramm mehr pro Liter als die Nordsee, lese ich später, und vier Mal salziger als zB Suppe. Und mehr tun wir die folgenden Tage nicht - wir genießen unser Gartenhäuschen und das Meer. Ich gehe mal noch einkaufen, jetzt ist mal gut mit dem vielen Geld ausgeben, ich koche wieder selbst, und ich lese, eine Geschichte, die in Griechenland spielt, aber die Hitze ist wohl ähnlich. Das Meer ist jeden Tag anders, mal stürmisch, mal still und glatt, mal türkis, mal grau, mal blau. Nur der schwarze Sand – der ist jeden Tag ab Mittag so heiß, dass wir panisch drüber rennen. Zum Glück gibt es ein paar Baldachine, unter die wir uns legen können. Von da aus erledigen wir auch unser Shopping, das am Strand viel mehr Spaß macht als in Roms glühenden Straßen.  Von den Strandverkäufern kaufen wir einen Schwimmring und Strandtücher, die künftig auf Sofa und Bett als Tagesdecken dienen sollen, weit schönere Armbänder als die am Kolosseum aufgezwungenen, lustige Leuchtpropeller, die wir in großer Zahl als Mitbringsel erstehen und das Mädel bekommt von einer afrikanischen jungen Frau, die weder italienisch, englisch, französisch noch eine andere mir bekannte Sprache spricht - vermutlich noch nicht lange ins Land geflohen – geflochtene Zöpfe. Die Frau, die vermutlich eine andere Matte gewohnt ist als unsere mitteleuropäisch bescheidene Haarpracht, lächelt entzückend und rupft, dass ich besorgt das Mädel angucke. Bei mir hätte sie längst rebelliert, bin ich überzeugt. Aber da hält sie still und freut sich auf die Zöpfchen, die wirklich hübsch werden und das Leiden und ein üppiges Trinkgeld wert sind. „Die brauchen das Geld mehr als H&M und die Souvenirboutiquen“ sage ich. Die Strandverkäufer und – verkäuferinnen haben einen schweren Job, bin ich überzeugt. Am schwersten ist vermutlich der des Maiskolbenverkäufers, der seinen heißen Karren durch Hitze und Sand ziehen muss, der dafür aber auch eine ordentliche Gewinnspanne hat – drei Euro für einen gegrillten Maiskolben, der so lecker ist, dass ich überrascht feststelle, nicht gewusst zu haben WIE lecker Mais sein kann. Eine Entdeckung.

Die Tage sind herrlich und vergehen viel zu schnell. Die Rückreise ist komfortabel mit Liegeabteil, aber die letzten Kilometer werden immer lang. Es war eine tolle Reise, finden wir alle, teuer und auf jeden Fall zu kurz. Definitiv. Ich will mal wieder nach Rom, und dies Gartenhäuschen merken wir uns auch. Nächstes Mal mit ein bisschen mehr Ewigkeit.

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